TEST YAMAHA XV 1700 ROAD STAR WARRIOR

14.07.2004

Unter den Cruisern gehören Power-Cruiser seit einiger Zeit zum Sahnehäubchen dieser Gattung. Drehmoment satt, dazu ein straffes Fahrwerk und eine moderne Bremsanlage - so kommt auch die Yamaha XV 1700 Road Star Warrior daher. BIKERs JOURNAL testete den schweren Brocken im grauen Alltag, am sonnigen Wochenende und - nein, nicht auf der Rennstrecke -, aber immerhin auch auf der Autobahn.

von Ulrich Hoffmann 

Es ist Dienstag, 1. Juni 2004, kurz vor Erscheinung dieser Ausgabe. Alles geht nur noch hektisch von der Hand. Texte hier, Bilder dort, schnell noch eine Überschrift, und zwischendurch den Newsticker füttern. 

Ich blicke aus dem Fenster - auf die fette Yamaha Warrior. Keine Spur von Unruhe, wie ein Monument steht sie vor der Tür. Für einen Redakteur ist es nicht immer einfach, all die ruhigen Momente, die für die gesammelten Eindrücke mit einem Testmotorrad verantwortlich waren, einigermaßen zügig abzuarbeiten, sprich in Worte zu fassen. Also besinne ich mich zuerst auf die schnellen Passagen mit der XV 1700 - so funktioniert der Einstieg leichter. Denn obwohl die lange, 297 kg schwere Fuhre ihr gewaltiges Drehmoment von 143 Newtonmetern bereits bei 3.500 /min ans Hinterrad schickt, lassen sich die 113 Millimeter großen Kolben im Gegensatz zur 1600er Road Star spürbar agiler ansteuern. Als ich mich vor einigen Tagen mit TopSpeed bei Tacho 195 - das entspricht echten 185 km/h - vom Fahrtwind beuteln ließ, hinterließ der mächtige V2 bei weitem nicht den etwas müden Eindruck der rund 40 Kilogramm schwereren Cruiser-Schwester. Wer mag, kann mit der Warrior wirklich flott unterwegs sein. Der Doppelrohrrahmen besteht aus Aluminium, ebenso die Schwinge. Insgesamt ist das Fahrwerk sehr gutmütig und verzeiht kleiner Rutscher ohne zickig zu werden. Angesichts der Masse eine gute Basis für eine vertrauensvolle Beziehung.

Langes Stück: Der 1.665 Millimetern lange Radstand und die lediglich 72 Zentimeter niedrige Sitzhöhe lassen die Road Star Warrior lang und flach erscheinen. Ein Motorrad zum Zupacken, Flanieren und bedingt sogar zum Touren. Gegenüber der 1600 Wild Star geht der 1700er-Motor lebendiger zur Sache.

Dass auch Cruiser-Freunde nichts gegen ein paar zusätzliche Grad Schräglage haben, hat sich inzwischen herumgesprochen. Bis die kleinen Trittbretter (aus dem Original-Zubehörprogramm) aufsetzen, dauert es länger als erwartet. Aus den Kurven herraus, mit knapp über 1.500 /min, und sich der weichen Drehmomentwoge hingeben - das ist die Warrior-Domäne. Oder besser gesagt, eine ihrer Domänen. Dabei wummert der 1.670 ccm-große, luftgekühlte Motor präsent, aber nicht aufdringlich vor sich hin. Satt, unglaublich satt. Mit einem faszinierend kultiviert laufenden Bollermann. Das ist schon beeindruckend. 

 

Gefühlsmäßig gibt´s keinen Grund, den angegebenen 86 PS, die bei 4.500 /min anliegen, nicht zu vertrauen. Sauber hängt der Motor am Gas. Naturgemäß hält sich die Spritzigkeit in konstruktionsbedingten Grenzen. Die OHV-Ventilsteuerung mit untenliegender Nockenwelle samt Ellen langer Stößelstangen produziert dank hydraulischem Ventilspielausgleich auch bei kaltem Motor keine unliebsamen Geräusche. 

 

Lastwechselreaktionen sind praktisch nicht vorhanden. Der via Saugrohreinspritzung, Motormanagement und zusätzlichem Throttle-Position-Sensor regulierte Motor lässt sich dank großer Schwungmasse, sauberer Gemischabstimmung und reaktionsmilderndem Zahnriemenantrieb problemlos ruckelfrei Fahren. Auf einen Kat muss man jedoch verzichten.

Dieser Motor ist ein Prachtstück und könnte sich durchaus gut in einem Straßenmotorrad machen. 

Aber das stört bestenfalls den Nörgler, der sich von der Warrior noch nicht  durch geschwungene Kurven tragen lassen hat. Angenehm handlich und überraschend neutral, lässt sie sich selbst durch engere Kurven manövrieren. Die im flachen 61°-Winkel angestellte Upside-Gabel neigt kaum dazu, zum Kurven-inneren wegzukippen. Eine Tatsache, die sich vorteilhaft auf die vergleichsweise einfache Handhabung auswirkt. Selbst eingefleischte Tourenfreunde und Boulevard-Biker - sonst von gewohnt problemlosen Naked Bikes oder wenig kapriziösen Sporttourern, vorwiegend japanischer Hausmannskost verwöhnt -  liebäugeln plötzlich mit der bitterbös' dreinschauenden Warrior. 

Die Aufnahme des breiten Rohrlenkers in Silent-Blöcken lässt Vibrationen kaum eine Chance. Der digitale Balken-Drehzahlmesser sieht futuristisch aus. Der 'rote' Bereich beginnt bei 5.000 /min. Der Tachometer ist während der Fahrt kaum abzulesen. Die doppelte Gabelklemmung an der oberen Gabelbrücke unterstreicht den stabilen und sportlichen Charakter. 

Ein weiteres Argument ist der recht günstige Verbrauch von durchschnittlich 6,3 Liter Normal. Wir tankten dennoch Super-Kraftstoff, auch wenn es weder der Hersteller noch die niedrige Verdichtung von 8,3:1 erforderlich machen. Bei solch gewaltigen Brennräumen, ist es durchaus möglich, dass sich in kleinen Nischen und Ecken winzige Flammherde bilden, die später einen schleichenden Schaden nach sich ziehen können. Die paar Cent für hochwertigeren Superkraftstoff sollte man seiner Warrior schon gönnen. Angesichts der über 15.000 € teuren Hardware sicher keine grundsätzlich falsche Entscheidung. 

 

Beinahe gerieten Faktoren wie die in Basis verstellbare 41er-Ups-Gabel in den Hintergrund. Nicht nur weil sie trefflich zum Konzept passen und darüber hinaus die nötigen Reserven bereitstellen, sondern weil sie auch problemlos funktionieren. Auf Block ging sie weder vorn noch hinten, bockig sind die Federelemente auch nicht und das Ansprechverhalten darf als okay durchgehen. Zumindest für flotte Cruiser-Verhältnisse. Speziell beim Bremsen mit der wirkungsvollen vorderen Vierkolben-Anlage ist im Vergleich zu einem Sportler oder Sporttourer natürlich eine gewisse Indifferenz zum Vorderrad festzustellen. Ein flacher Lenkkopfwinkel kann in Verbindung mit einer Teleskop-Führung nur schwerlich transparenter arbeiten. Wer ordentlich verzögern möchte, muss auch ordentlich zupacken. Aber das ist kein wirklicher Kritikpunkt. Grundsätzlich erfreulich sind die niedrigen Betätigungskräfte der 282er-Soloscheibe am 200er-Hinterradschlappen, die aufgrund der legeren Sitzposition gern und somit häufig zum Einsatz kommt. 

 

Bei dieser Gelegenheit noch ein Wort zur Sitzbank, bzw. dem -komfort: Auf den Sozius wirkt sie wie ein Bekleidung seiner Existenz, für den Fahrer ist sie der siebente Himmel. Die Wirkung der Mini-Verkleidung (Zubehör) geht gegen null, die Funktion beschränkt sich klar auf den optischen Faktor. Der mächtige Auspufftopf ist der derzeit größte am Markt (... bitte keine Freud'schen Parallelen anwenden ...) - das Ding sieht einfach scharf aus. Ein Gedicht ist die tolle Instrumentenbeleuchtung - bei Nacht strahlt sie in wunderschönem blau. Einfach cool.

Fazit
Bei manchen Testmotorrädern erübrigt sich die Sportwertung. So auch bei der XV 1700 Road Star Warrior. Interessant ist dieses Zahlenspiel dennoch, weil es offen legt, in welchen Bereichen die Unterschiede beispielsweise zur XV 1600 Wild Star liegen. Oder das selbst kräftige 86 PS beim besten Willen nicht viel mit Sportlichkeit zu tun haben müssen. Es gibt Motorräder, die mit weniger Leistung mehr Punkte bekommen würden. Das alles ist bei der Warrior jedoch ziemlich nebensächlich. Den Unterschied zur pompösen Wild Star machen das stabile Fahrwerk, der lebendigere Motor, die guten Bremsen und die daraus resultierende bessere Fahrbarkeit aus. Im Alltag kommt die Warrior besser weg, als anfangs vermutet. Zwar zwingt das stattliche Gewicht zu einem vorausschauenden Umgang, doch entschädigt der massige Drehmomentberg bei niedrigen Drehzahlen mit einer kaum zu toppenden Coolness. Und wer´s auf Solotouren nicht gar so eilig hat, kann mit ihr sogar entspannt in den Urlaub gleiten. Denn Satteltaschen sind selbstverständlich auch im Zubehörprogramm zu haben - für 264,75 €.


KULTIVIERTER V2-DONNER,  ANSPRUCHSVOLL - ABER NICHT BILLIG

Was für ein bequemer Brocken. Saugemütlich, ohne langweilig zu sein. Und dabei herrlich kultiviert - erstaunlich, für einen so großen V2 mit immerhin rund 850 Kubikzentimeter großen Einzelhubräumen. Die leckere Verarbeitung besticht in bekannter Yamaha-Qualität. Wohin das Auge auch schaut, überzeugen Machart und Finish an allen Ecken und Kanten. 

 

Die wunderschönen Spiegel, der tolle Kettenschutz und die mit viel Liebe zum Detail gemachten Fußrasten machen Appetit auf genüssliches Anschauen und Abfahren. Beim Blick in den Prospekt dann kurze Ernüchterung: Das, was beim genauen Hinblick so herrlich lecker aussah, stammt aus dem umfangreichen Original-Zubehörkatalog. Angesichts des stolzen Grundpreises von weit über 15.000 Euro nicht für jeden einleuchtend. 

 

Mini-Verkleidung 447,50 € Motorverkleidung 273,50 € Chrom-Luftfiltergehäuse 209,00 € Lima-Deckel 64,25 € Kupplungsdeckel 132,25 € Zahnriemenantriebsdeckel 396,50 € Minitrittbretter Fahrer (Paar) 271,50 € Soziusrasten 124,50 € Schalthebel 152,00 € Fußbremshebel 191,00 € Schaltstgestänge 80,50 € Alu-Zahnriemenabdeckung 106 € Spiegel je 159,00 € 

Unterm Strich hatte unsere Testmaschine also ein Wert von 2.766,50 € über dem Grundpreis, macht 18.261 €. 


Technische Daten

Motor Luftgek. Zweizylinder-Viertakt-V-Motor/48°, Hubraum 1.670 ccm, Leistung 86 PS/63 kW bei 4.500 /min, max. Drehmoment 141 Nm bei 3.500 /min, Bohrung x Hub 97 x 113 mm, Verdichtung 8,4:1, vier Ventile pro Zylinder, OHV, Kipphebel über Stößelstangen betätigt, elektr. Saugrohreinspritzung mit TPS, CDI-Zündung über Motormanagement, SLS, Trockensumpfschmierung, über Seilzug betätigte Mehrscheibenkupplung im Ölbad, klauengeschaltetes Fünfgang-Getriebe, E-Starter, Sekundärtrieb über wartungsarmen Zahnriemen

 

Fahrwerk Doppelrohrrahmen aus Aluminium, Heck verschraubt, Radstand 1.665 mm, Nachlauf 130 mm, Lenkkopfwinkel 61°, Sitzhöhe 720 mm, Gewicht fahrfertig 297 kg (trocken 275 kg), zul. Gesamtgewicht 480 kg, Tank 15 Liter/3 L. Res., Ups-Gabel vorn, ø41 mm, Federbasis verstellbar, hinten liegendes Zentralfederbein, Alu-Zweiarmschwinge mit Unterzug,  Federwege vo./ hi. 135/110 mm, Doppelscheibenbr. ø 298 mm mit Vierkolben-Fests., Einfachscheibenbr. hinten ø 282 mm, Zweikolben-Fests., Reifen vo. 120/70-17", hi. 200/50-17", auf 3.50/6.00-Felgen 

Die Vierkolben-Festsättel wollen entschlossen betätigt werden und liefern ordentliche Verzögerungswerte. 

Praxis
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h, Beschleunigung 0-100 km/h in 4,4 Sek., Verbrauch: 6,3 Normal/100 km, zwei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung 

Preis: 15.495 €